Starautor Arno Luik fordert mehr graue Reportagen / Konsequenzen aus dem Fall Relotius (FOTO)

Starautor Arno Luik fordert mehr graue Reportagen / Konsequenzen aus dem Fall Relotius (FOTO), Frankfurt am Main (ots) –

Der Fall Claas Relotius muss laut dem stern-Autoren Arno Luik auch
die Erwartungen und Herangehensweise an Reportagen verändern. “Wir
sollten uns mehr Reportagen trauen, die nicht schwarz und weiß sind,
sondern so grau oder so bunt wie die Welt da draußen”, sagt Arno Luik
im Interview in medium magazin. Der langjährige Reporter, selbst
mehrfach ausgezeichnet, sieht auch bei Juroren von Medienpreisen eine
mögliche Mitschuld am Fall Relotius. “Sie zeichnen gerne exotische,
spektakuläre Reportagen vom anderen Ende der Welt aus.” Das verführe
vielleicht Kollegen dazu, das Spektakuläre durch noch etwas
Spektakuläreres zu toppen.

Niemand habe zwingend erkennen können, dass Relotius Personen und
Handlungen erfand. Doch die Art seiner Texte habe ihm nicht gefallen,
erzählt Luik. “Relotius’ Reportagen waren oft klischeehaft perfekt.
Die Guten waren gut, die Bösen böse, Grautöne waren nicht
vorgesehen.”

Luiks Spezialität hingegen sind lange Gespräche. Im medium magazin
erzählt er, dass er niemals ein Interview unter zwei Stunden führt.
Sein Gespräch mit Reinhold Messner habe elf Stunden gedauert, mit
Boris Becker habe er 40 Stunden gesprochen, die sich auf rund 300
Manuskriptseiten niederschlugen. Gefragt nach der perfekten Länge in
Zeichenzahl für seine Texte, sagt Luik entsprechend: “Bei 15.000 fang
ich an zu leben, bei 20.000 kommt der Genuss und ab 25.000 nähere ich
mich der Befriedigung.”

Über seine journalistische Haltung und den Einfluss der
´68-Bewegung sagt der 64-jährige, er sei durch diese Zeiten politisch
sozialisiert worden: “Im Gegensatz zu Joschka Fischer und großen
Teilen der Grünen – etwas anmaßend formuliert: Ich trage Achtung vor
den Träumen meiner Jugend. Wir wollten eine gute, gerechte,
menschliche Gesellschaft, ohne oben und unten. In meinen Gesprächen
oder Artikeln versuche ich immer noch, diese heute leider altmodisch
anmutende Journalismus-Idee der vierten Gewalt umzusetzen: zum
Beispiel den Mächtigen auf die Finger schauen – oder gelegentlich
auch zu hauen.”

Das Interview von Stephan Seiler mit Arno Luik ist Teil der großen
medium magazin-Interviewserie mit Reporter und Reporterinnen. Es
erscheint in medium magazin 02/2019, S. 38-45.

Weitere Themen sind u.a. der Schwerpunkt zum “Tag der
Pressefreiheit” am 3. Mai: “Feindbild Journalist” – wie Redaktionen
und Reporter auf Angriffe reagieren, Special Nachhaltigkeit – was
Medien in eigener Sache für den Klimaschutz tun, Wie das
internationale Mediennetzwerk ORB Umweltthemen ins Lokale bringt, wie
11 Regionalzeitungen zur Europa-Wahl gemeinsame Sache machen, plus 16
Seiten Journalistenwerkstatt “Besser schreiben: Die Reportage”.

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